Loyalität und Brillanz

Vorhin war ich beim Institut für Wertewirtschaft, um mir ein Büchlein abzuholen, das mich interessierte. Dort betreute mich ein junger Mann, Doktorand der Wirtschaftswissenschaften, der offenbar am Institut eine Art Praktikum absolvierte und für verschiedene Routinetätigkeiten, wie eben die Interessentenbetreuung und den Verkauf der Büchlein, zuständig war. Da dachte ich mir: Als Doktorand mit Schwerpunkt "Austrian Economics" (die Schule um Mises, Hayek und Co.) hat man es eigentlich schwer, nach dem Studium einen adäquaten Posten zu finden. Das Institut für Wertewirtschaft ist eines der wenigen mir bekannten Institute hier in Österreich, zu dem seine Ausbildung gut passen würde.

In diesem Zusammenhang gingen mir daraufhin folgende Dinge durch den Kopf: Zunächst einmal sei gesagt, dass ich hier vom konkreten Fall abstrahiere. Ich kenne den Mann nicht so gut, dass ich eine Aussage über seine Begabungen machen könnte. Ich weiß nur, dass der Gründer des Instituts für Wertewirtschaft, Rahim Taghizadegan, den ich schon aus früheren Zeiten kenne, als er noch eine Website über die Weltanschauung des Liberalismus betrieb, ein Mann von überragender intellektueller Brillanz ist, zumindest verglichen mit den meisten Zeitgenossen, denen ich bisher begegnet sind, einschließlich Mensa-Mitgliedern.

Angenommen, ein durchschnittlich intelligenter, aber fleißiger, loyaler und zuverlässiger Mitarbeiter arbeitet sich an so einem Institut hoch und erklimmt im Laufe der Jahre die Karriereleiter. Irgendwann wird er, vor allem mangels Alternativen (im zweifachen Sinn: es gibt zu wenige alternative Arbeitgeber, aber wahrscheinlich auch zu wenige alternative Kandidaten), für die Nachfolge des Institutsvorstands in Betracht gezogen werden. Was ist nun, wenn auf einmal ein intellektuell äußerst brillanter Mensch auftaucht, der sich zwar noch nicht allzu sehr durch Leistungen verdient gemacht hat, aber in seiner Brillanz dem Institutsgründer in nichts nachsteht? Wer würde in diesem Fall das Rennen um die Nachfolge machen?

Menschlich konsequenter wäre es wohl, die Loyalität des Mitarbeiters zu belohnen. Doch darunter würde wahrscheinlich der wissenschaftliche Output des Instituts leiden, es wäre nicht mehr dasselbe wie früher. Dennoch nehme ich an, dass in der Praxis Loyalität meist mehr zählt als Brillanz. Und das erklärt zum Teil, warum Hochbegabte es oft schwer haben, Karriere zu machen - oder zumindest nicht leichter als durchschnittlich Begabte.

Konklusion: Hochbegabte müssen lernen, loyal zu sein. Loyalität, Zuverlässigkeit, Fleiß - diese Eigenschaften muss auch ein Hochbegabter haben, wenn er Chancen auf einen Posten haben will, in denen er seine Fähigkeiten verwirklichen könnte.

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