Ein neues Buch von Marco Ripà

Gestern habe ich mir wieder neue Bücher gekauft, darunter das Buch "Retro-analytical Reasoning IQ tests for the High Range - ENNDT: The first dynamic IQ test for the high range" von Marco Ripà und Gaetano Morelli.



Das Thema dieses Buchs ist ein neuartiger Intelligenztest, bei dem die Aufgaben von einem Computerprogramm erzeugt werden, so dass bei jeder Test-Sitzung neue Aufgaben gestellt werden können. Dies verhindert, dass sich jemand die Lösungen besorgen und auswendig lernen könnte, wie dies bei bestehenden Intelligenztests leider zum Teil möglich ist.

Interessant ist der Test auch insofern, als die Art der gestellten Aufgaben meines Wissens nach neuartig ist und noch in keinem anderen Intelligenztest vorkam. Es ist ähnlich wie bei Schachrätseln: Oft werden in Schachzeitschriften aktuelle Spielstände abgedruckt, und die Leser sind gebeten zu überlegen, wie diese Spielstände zu Stande gekommen sein mochten, also wie man von der Ausgangslage Schritt für Schritt zu diesem Spielstand gelangen könnte. Genauso ist es auch in diesem Intelligenztest: Gegeben sind zehn Zahlenreihen. Der Computer wählt nun zufällig eine dieser zehn Zahlenreihen aus, dann eine zweite Zahlenreihe, und diese zweite Zahlenreihe verwendet er als Schablone, um Zahlen aus der ersten Zahlenreihe auszuwählen. Auf diese Weise entsteht eine neue Zahlenreihe. Je nach Schwierigkeitsgrad der Aufgabe nimmt der Computer dann noch eine Zahlenreihe und verwendet sie wiederum zur Auswahl von Zahlen aus der neu entstandenen Zahlenreihe usw. Die Aufgabe des Probanden ist es herauszufinden, welche der gegebenen Zahlenreihen angewendet wurden und in welcher Reihenfolge sie angewendet wurden, um das in der Angabe enthaltene Ergebnis zu erzeugen.

Marco Ripà kündigte zu Beginn dieses Kalenderjahres in diversen Foren an, eine Beta-Testing-Session dieses neuartigen Tests durchführen zu wollen. Insgesamt 86 Kandidaten meldeten sich zum Test an, wobei angeblich alle nachweisen konnten, laut standardisierten Intelligenztests einen IQ von 135 oder höher zu haben (auf einer Skala mit Mittelwert 100 und Standardabweichung 15; sie gehörten also intelligenzmäßig zur Spitze der Gesellschaft und waren allesamt intelligenter als 99 Prozent der Bevölkerung ihres jeweiligen Landes). Von diesen 86 Kandidaten wurde der Test allen zugeschickt, deren E-Mail-Adresse bekannt war. 33 Personen gaben danach an, sich den Test angesehen und ihn zumindest probiert zu haben; möglicherweise hatten es tatsächlich noch mehr als 33 Personen getan. Jedenfalls gelang es nur 8 Personen, innerhalb des Zeitlimits von 160 Minuten drei oder mehr Aufgaben zu lösen.

Die beste Leistung erbrachte laut diesem Buch eine Person mit den Initialen V. K.; er konnte 14 Aufgaben lösen, darunter auch einige schwierigere, und erzielte damit 39,5 Punkte. Mit deutlichem Abstand folgte R. R.; Ripà wertete 9,5 Aufgaben als gelöst (also wahrscheinlich 9 als völlig richtig und eine als "halbrichtig"), und da darunter auch einige schwierigere Aufgaben waren, bekam R. R. dafür 20,5 Punkte. Äußerst knapp dahinter belegte den dritten Platz dann ein gewisser C. V. mit 10 gelösten Aufgaben, wofür ich aber etwas weniger Punkte bekommen hatte als R. R., nämlich nur 19 Punkte, weil ich die Aufgaben in der Reihenfolge bearbeitet hatte, in der sie im Test vorgekommen waren, während R. R. einige leichtere Aufgaben ausgelassen und dafür einige schwierigere Aufgaben bearbeitet hatte. Für schwierigere Aufgaben bekommt man selbstverständlich mehr Punkte als für leichtere Aufgaben. Der Abstand zum vierten Platz war dann jedenfalls wieder recht groß, der Viertplatzierte hatte nur 13,1 Punkte erreicht.

Die IQ-Werte, die Ripà daraufhin den einzelnen Probanden zugewiesen hat, stellen meiner Meinung nach nur grobe Schätzungen dar. Das Einzige, was man mit Sicherheit sagen kann: Wenn man von 33 Probanden als Drittbester abgeschnitten hat, dann war man besser als ca. 94% der Teilnehmer; da es möglicherweise sogar mehr als 33 Probanden gegeben hat, mag der wahre Prozentsatz sogar noch höher sein. Aber in einen IQ kann man das nicht umrechnen, weil die Intelligenzverteilung der Teilnehmer nicht bekannt ist (dass angeblich alle einen IQ von mindestens 135 hatten, sagt noch nicht viel über die Verteilung aus). Aus diesem Grund ist der neuartige Intelligenztest von Ripà und Morelli noch nicht für die Ermittlung eines Intelligenzquotienten geeignet. Dazu müsste er erst an einer großen und für die Gesamtbevölkerung repräsentativen Zahl von Teilnehmern erprobt werden. Oder, alternativ, an einer Population mit einem IQ von mindestens 135, die für die Gesamtheit der derart Hochintelligenten repräsentativ ist - aus meiner Sicht liegen jedenfalls keine Hinweise vor, dass die 33 Probanden bei diesem Test in diesem Sinne repräsentativ waren. Für ein repräsentatives Sample würde es nicht genügen, dass alle Probanden einen IQ von 135 oder höher hätten, sondern die Intelligenzverteilung innerhalb dieses Samples müsste der tatsächlichen Intelligenzverteilung in dem Teil der Bevölkerung entsprechen, der einen IQ von 135 oder höher hat.

Insgesamt ein sehr interessantes Buch, das ich nur empfehlen kann!

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