Hochbegabte und Stress

Mein Kollege vertritt die Meinung, dass eine intellektuelle Hochbegabung automatisch mit Stress einhergehe. Fast alle Hochbegabten, die er kenne, seien gestresst; die einzigen Ausnahmen seien eine ältere Frau und ich.

Ich meine dazu: Man muss über diese Hypothese diskutieren. Vielleicht hat er Recht, vielleicht auch nicht. Logisch erscheint mir persönlich, dass nicht die Hochbegabung an sich den Stress bedingt, sondern der Ehrgeiz, den viele Hochbegabte an den Tag legen. Dazu muss man auch sagen, dass diese Hochbegabten vor allem deswegen ehrgeizig sind, weil sie so erzogen worden sind, oder auch, weil sie von ihrer Hochbegabung wissen und - aus welchem Grund auch immer - glauben, dass sie verpflichtet seien, etwas aus ihrer Begabung zu machen. Ich glaube also nicht, dass die Hochbegabung den Stress auslöst, sondern eher das Wissen um die Hochbegabung. Es gibt aber auch viele Menschen, die laut Intelligenztest zu den Hochbegabten gehören, aber entweder von ihrer Hochbegabung gar nichts wissen oder sich nichts daraus machen. Mir erscheint es keineswegs logisch, dass jeder, der hochbegabt ist, automatisch gestresst sein müsse. Warum sollten jene, die hochbegabt sind, aber es nicht wissen oder ihrer Begabung keine Bedeutung beimessen, gestresst sein? Außer natürlich, sie werden in ihrem Beruf mit Problemen konfrontiert, die bei ihnen Stress auslösen.

Vielleicht neigen manche der Hochbegabten auch dazu, ihre Begabung zu überschätzen - wenn sie dann Probleme haben (etwa im Studium), meinen sie, sich nicht genug angestrengt zu haben; dabei sind vielleicht einfach die Anforderungen zu hoch. Als ich studierte, konnte man unter vielen Studierenden die Meinung antreffen, dass Leute umso schneller in ihrem Studium vorankämen, je intelligenter sie wären. Auch das ist meiner Meinung nach falsch; schnell kommen vor allem jene Studierenden voran, die bereits vor dem Studium über gute Fachkenntnisse verfügten. Bei einem Medizinstudium also vor allem solche, die selbst aus Ärztefamilien kamen (oder alternativ aus Familien, bei denen ein Elternteil einem verwandten Beruf nachging, wie Biologe oder Apotheker).

Man könnte als Fazit sagen: Es stimmt, dass Intelligenz oft überschätzt wird, und vor allem, dass intelligente Menschen ihre eigene Intelligenz oft überschätzen. Und das ist, was Stress auslöst.

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