Die Verantwortung der Begabten

Manchen der Bekannten, die ich durch die Hochintelligenzclubs gewonnen habe, stößt es sauer auf, dass ich durch meine Erziehung die Einstellung erworben habe, dass Begabte (oder "Gescheite", wie man umgangssprachlich sagt) eine besondere Verantwortung haben, die ihnen zugeteilten Aufgaben ordentlich zu erledigen. "Was man macht, macht man ordentlich", war ein Motto meiner Eltern. Sie waren der Meinung, dass ein Gescheiter verpflichtet wäre, alle ihm zugeteilten Aufgaben ordentlich zu erledigen. Wenn ein Gescheiter, der die nötigen Fähigkeiten hätte, nicht die geforderte Leistung erbringt, sei das viel schlimmer zu werten als wenn ein weniger Begabter schlechte Leistungen erbringt, denn das sei ihm nachzusehen - er könne es einfach nicht besser.

Die Bekannten aus den Hochintelligenzclubs fühlen sich durch diese Ansicht unter Druck gesetzt. In Wirklichkeit ist es aber vielmehr so, dass diese Leute gar keine "Gescheiten" im Sinne meiner Eltern sind.

Wer in der Lage ist, einen Intelligenztest zu bewältigen, hat damit bewiesen, dass er diese Testaufgaben lösen kann - mehr nicht. Es kann gut sein, dass er dennoch Probleme hat, die in Schule, Studium oder Beruf geforderten Leistungen zu erbringen - etwa weil ihm das Lernen von Fremdsprachen schwer fällt. Solche Leute haben vielleicht einen hohen Intelligenzquotienten, aber sie sind keine "Gescheiten". Somit ist es auch tolerierbar, wenn sie nicht Spitzenleistungen erbringen.

Das große Problem ist, dass viele Menschen die Bestätigung brauchen, dass sie intelligent sind, weil es für ihr Selbstwertgefühl von Bedeutung ist. Sie mögen aber einen hohen Intelligenzquotienten haben und trotzdem in ihren Fähigkeiten eingeschränkt sein. Sie sind also keine "Gescheiten" in dem Sinne, wie es meine Eltern gemeint haben. Ein "Gescheiter" ist einer, der alles kann.

Insofern ist es auch problematisch, wenn ein hoher Intelligenzquotient mit "Hochbegabung" gleichgesetzt wird. Denn in Wirklichkeit kann man einen hohen Intelligenzquotienten haben und dennoch weitgehend unbegabt sein. Das ist aber etwas, was viele Angehörige von Hochintelligenzclubs nicht verstehen oder nicht verstehen wollen. Deswegen machen sie den Fehler, Aussagen wie die von der Verantwortung der Begabten für die Gesellschaft auf sich zu beziehen (und entsprechend entrüstet zu sein). Dabei betreffen diese Aussagen in Wirklichkeit diejenigen, die wirklich begabt sind - diejenigen, die alles können. Der Intelligenztest ist nicht geeignet zu ermitteln, wer über diese Fähigkeiten verfügt.

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